Unterwegs

Wer bei sich selbst stehen bleibt,

kommt nicht weit.

Aufregend wird das Leben erst dann,

wenn wir uns herausrufen lassen

über die eigenen Grenzen hinaus.

Franz Kamphaus

Bei sich selbst stehen bleiben, sich nur um sich selbst drehen ist fast, als verfiele man in einen gelähmten Zustand. Diese Lähmung kann alle Körperteile und auch den Geist ergreifen: Es gibt solche, die körperlich gelähmt sind, die bewegungsunfähig sind. Ihre Füße verweigern den Dienst, sie haben keinen Stand im Leben, ihre Wirbelsäule trägt sie nicht, sie können keine Haltung einnehmen.

Und es gibt solche, die von Angst und Furcht gelähmt sind, sich selbst durch Mutlosigkeit am Weitergehen hindern. Sie sehen überall Grenzen, Hindernisse, Gefahren. Häufig hört man das Wörtchen „aber“ von ihnen. Das Außen, das Andere, das Fremde wird als bedrohlich erlebt.

Der kommt nicht weit…

Na und? Wozu soll ich weit kommen, es geht doch gut, ich bin versorgt, brauche mich nicht anzustrengen, ich habe alles, was ich brauche. Das soll mir erst mal einer nehmen.

So dachte zuerst auch der Gelähmte am Teich Bethesda, der sich gut eingerichtet hatte in seinem Zustand. Er lag als anerkannter Bettler dort, bekam seinen Anteil an den täglichen Zuwendungen, ein Berufsgelähmter, sozusagen. Und ich vermute, er wird es sich gut überlegt haben, ob er wirklich laufen bzw. leben können wollte.

Zwischendurch war schon ein wenig Bedauern, dass er nicht so schnell zum Teich kam, denn niemand trug ihn. Er war in Abhängigkeiten gefangen, so in etwa….“ich würde ja gern, aber….es ist ja keiner da, der mich trägt.“ Ausreden gibt es immer.

Wir hören nicht gern, dass das Leben eine Kette von Wandlungsprozessen ist und wir wissen das eigentlich sehr genau. Und wir stehen oft mit dem Fuß auf der Bremse, da wir diesen Prozess nicht steuern können. In den Wandlungsprozessen erleben wir unsere Machtlosigkeit und das kann  sehr unangenehm, wenn nicht bedrohlich sein.

Und dann kam die Aufregung. Mögt ihr Aufregung? Der begegnen wir eher mit gemischten Gefühlen. Man weiß ja nie…..

Der Gelähmte ließ sich auf die Veränderung, die Aufregung ein. Er hätte auch „Nein“ sagen können, bei seinen bequemen Abhängigkeiten bleiben können. Er ließ sich herausrufen, ließ sich ein auf das Unbekannte, er wollte es tatsächlich, entschied sich für die Bewegung, für das Leben mit all seinen Risiken. Das bedeutete für sich selbst Verantwortung zu übernehmen, Abhängigkeiten aufzugeben zugunsten einer völligen Unsicherheit. Er ließ sich ohne Wenn und Aber auf den Fluss des Lebens ein.

Woher nahm er den Mut dazu, die Kraft, das Vertrauen? Er ließ sich herausrufen, im Bibeltext von Jesus, im heutigen Leben vielleicht von einer inneren Stimme, einem Drang, einem Bedürfnis nach Veränderung, nach Aufregung, wenn wir merken, dass da noch mehr ist, als wir bisher erlebt oder erfahren haben. Aber bitteschön nur dosiert, dass ich damit umgehen kann.

Sich herausrufen lassen… …..welchem Ruf folge ich? Kann ……und will ich den Ruf überhaupt hören?

Herausrufen lassen….. über die eigenen Grenzen hinaus….Wo sind diese Grenzen, diese Mauern in mir, welche Ausreden habe ich da parat?

Hier zeigt sich, dass der Glaube nicht etwas ist, der die letzten Geheimnisse der Welt offenbaren will sondern ganz praktisch zu einem besseren Leben führen kann, eins in Frieden, Freude und Harmonie.

Und wieder ein Aber: Das geht doch gar nicht, das wirkliche Leben ist doch ganz anders. Dieses Aber ist wie ein Staudamm, dass uns vom wirklichen Leben fern hält. Alle Vorbehalte, zu viel Nachdenken, alles Abwägen von Vor- und Nachteilen, alle Bewertungen bewahren uns davor, in den Fluss des Lebens einzutauchen…..bis eines Tages dieser Staudamm bricht und wir überflutet werden. Ist es da nicht besser, wie der Gelähmte in der Geschichte, sich vom Fluss des Lebens treiben zu lassen als steuernd einzugreifen?

Zen fordert die Überschreitung jeglicher innerer Grenzen, fordert das Sich – fallen lassen ins Bodenlose, ins Nichts. Dies ist nur schwer auszuhalten. Wen kann ich nun noch verantwortlich machen für das, was geschieht und noch geschehen könnte? Welche Bedrohungen lauern im Nichts auf mich?

Nichts ist leer – oder doch nicht?

Wie oft benutzen Sie eigentlich das Wörtchen „aber“?

 November.15